Theorie:

Bisher sind wir hauptsächlich Quadratwurzeln von positiven reellen Zahlen begegnet. Wir erinnern uns, dass jede nicht-negative reelle Zahl \(x\) eine eindeutige Quadratwurzel \(\sqrt x\) besitzt, und sie ist nicht-negativ. Die Quadratwurzel hat die Eigenschaft, dass \((\sqrt x)^2=x\) gilt. Falls \(x\neq 0\), dann gibt aber auch eine negative Zahl mit der gleichen Eigenschaft, nämlich \(-\sqrt x\). Denn das Minus verschwindet beim Quadrieren, und \((-\sqrt x\)^2=x\).
Beispiel:
Die Quadratwurzel von 81 ist 9\(=\)81, und 9 ·9\(=\)81. Aber auch \(-\)9 hat die Eigenschaft, dass (9)(9)=81.
Was ist also nun die Quadratwurzel einer komplexen Zahl?
Sei \(z\) eine komplexe Zahl. Jede komplexe Zahl \(w\) mit der Eigenschaft
 
\(w\cdot w=z\)
 
heißt Quadratwurzel von \(z\). Wir bezeichnen eine Quadratwurzel mit \(\sqrt z\).
Beispiel:
Sowohl 4+2 ·i als auch 42 ·i sind Quadratwurzeln von 12+16 ·i, denn
 
 (4+2 ·i)(4+2 ·i)=12+16 ·i
und
(42 ·i)(42 ·i)=12+16 ·i.
Im Gegensatz zu den reellen Zahlen ist die Quadratwurzel nicht mehr eindeutig definiert:
Jede komplexe Zahl \(z\) außer null besitzt genau zwei Quadratwurzeln. Ist \(w\) eine Quadratwurzel, so ist die andere gegeben durch \(-w=(-1)\cdot w\).
Wichtig!
Der Grund dafür, dass man sich nicht mehr auf eine Wurzel festlegen kann, liegt daran, dass wir im Gegensatz zu den reellen Zahlen komplexe Zahlen nicht mehr vergleichen können: Es gibt keine sinnvolle Möglichkeit mehr zu entscheiden, ob eine komplexe Zahl "größer" oder "kleiner" als eine andere ist. In den reellen Zahlen kann man als Quadratwurzel diejenige wählen, die größer gleich null ist. In den komplexen Zahlen geht das eben nicht mehr. Beide Quadratwurzeln sind hier "gleichberechtigt".
In kartesischer Darstellung ist das Wurzelziehen aus komplexen Zahlen ein mühsames Unterfangen. In der Polardarstellung geht das jedoch leichter. Sei beispielsweise \(z=(9; 84^\circ)\) eine komplexe Zahl, von der wir die Quadratwurzeln bestimmen wollen. Jede Quadratwurzel \(w=(r; \phi)\) hat die Eigenschaft, dass \(w\cdot w=z\) gilt. Das Verwenden wir nun, um \(w\) zu ermitteln. Wegen der Rechenregeln für die Multiplikation von komplexen Zahlen in der Polardarstellung erhalten wir:
 
\(w\cdot w=(r^2; 2\phi)\),
 
denn die Beträge multiplizieren sich, und die Argumente addieren sich. Das soll nun gleich \(z\) sein, also
 
\(r^2=9\)  und  \(2\phi=84^\circ\).
 
Die beiden Gleichungen können wir nun auflösen, und erhalten die Wurzel \(w=(3; 42^\circ)\). Die andere Wurzel hat den gleichen Betrag, aber ein um \(180^\circ\) versetztes Argument: \((3; 222^\circ)\). Warum das so ist, sehen wir leicht folgendermaßen: Die eine Wurzel ist \(w=(r;\phi)\), und die Zahl mit dem um \(180^\circ\) versetzten Argument ist \((r;\phi+180^\circ)\). Quadriert man diese, so erhält man:
 
\((r;\phi+180^\circ)^2=(r^2; 2\phi + 2\cdot 180^\circ) =(r^2; 2\phi + 360^\circ)=(r^2; 2\phi),\)
 
da Unterschiede um \(360^\circ\) im Argument keine Rolle spielen. Das Quadrat ist also wieder \(z\), und \((r;\phi+180^\circ)\) ist auch eine Quadratwurzel.
Eine Quadratwurzel einer komplexen Zahl \(z=(R; \psi)\) in Polardarstellung ist gegeben durch
 
\(\sqrt z= (\sqrt R; \frac\psi 2)\).
 
Die zweite Quadratwurzel besitzt ein um \(180^\circ\) versetztes Argument.