Theorie:
Titelblatt des Erstdrucks,
(hier noch ohne Nennung des Autors)
Das Versepos "Oberon" (1780) ist Wielands volkstümlichstes und gelungenstes Werk. Die Form des Gedichtes sind freie Stanzen (Wieland- oder Oberonstanzen).
Der Stoff ist einer altfranzösischen "Chanson de gestes" entnommen und durch Motive aus Shakespeares "Sommernachtstraum" und Chaucers "Birnbaumgeschichte" aus den Canterbury Tales erweitert. Das Werk besticht durch die Eleganz und Schwerelosigkeit seiner Sprache sowie durch die leicht ironische Selbstverständlichkeit, mit der Märchen- und Wunderdinge berichtet werden. Die Tendenz: "Treue ist wichtiger als Keuschheit", zeigt Wielands freisinnige Einstellung.
Handlung
Hüon von Bordeaux hat einen Sohn Kaiser Karls des Großen getötet und wird von diesem zur Strafe verbannt. Er darf erst in die Heimat zurückkehren, wenn er den Kalifen von Bagdad aufgesucht hat, dem Mann, der zu dessen Linken sitzt, den Kopf abgeschlagen, die Tochter des Kalifen dreimal geküsst und diesem selbst vier Backenzähne und eine Hand voll Barthaare abgenommen hat.
Hüon trifft unterwegs Scherasmin, den treuen Vasallen seines auf einem Kreuzzug ums Leben gekommenen Vaters. Scherasmin wird Hüons Begleiter und Helfer.
Der Elfenkönig Oberon hat Streit mit seiner Gattin Titania und will sich mit ihr erst versöhnen, wenn er ein Liebespaar gefunden hat, das trotz allen Gefahren und Versuchungen treu und keusch zueinander hält. Dieses Paar sollen Hüon und die Tochter des Kalifen von Bagdad, Rezia, werden. Oberon erscheint dem Prinzen Hüon und übergibt ihm ein Horn, dessen Zauberkraft ihm bei der Durchführung seines Auftrages nützen soll. Er zeigt ihm Rezia im Traum und lässt der Prinzessin das Bild Hüons erscheinen.
Bevor Hüon nach Bagdad kommt, rettet er im Wald den Prinzen Babekan vor einem Löwen, Babekan aber beschimpft Hüon und alle Christen.
Rezia ist traurig, weil sie auf Wunsch ihres Vaters Babekan heiraten soll. Da erscheint Hüon im Festsaal des Kalifen, schlägt Babekan, der an dessen Seite sitzt, den Kopf ab und küsst die erfreute Rezia dreimal als seine Braut. Mit Hilfe von Oberons Horn kann er die Angriffe der Heiden abwehren, indem er sie zwingt, zu tanzen, bis sie vor Erschöpfung umfallen. Oberon selbst erscheint, verschafft Hüon auch noch die Zähne, und Haare des Kalifen, und ein wunderbarer Wagen bringt das Liebespaar, begleitet von Scherasmin und Rezias treuer Dienerin Fatme, an die Küste.
Während der folgenden Seereise verletzen Hüon und Rezia des Keuschheitsgebot des Elfenkönigs. Dieser schickt darauf einen Sturm; Hüon springt ins Wasser, Rezia folgt ihm, und sie gelangen auf eine einsame Insel. Rezia bringt mit Hilfe Titanias ihr Kind zur Welt. Bald darauf wird sie von Seeräubern geraubt, Hüon folgt ihr. Titania behält das Kind in ihrer Pflege.
Hüon und Rezia werden dem Sultan von Marokko in die Sklaverei verkauft. Dort sind auch Fatme und Scherasmin. Rezia bleibt gegenüber den Nachstellungen des Sultans standhaft und soll schließlich getötet werden. Ähnlich ergeht es Hüon, den zu verführen des Sultans vernachlässigte Lieblingsfrau vergeblich versucht.
Nun sind die Proben zu Ende: Oberon greift erneut ein, rettet die beiden aus der Gefangenschaft, versöhnt sich mit Titania, die dem Paar das Kind wiederbringt, und versetzt die ganze Familie zurück nach Frankreich, wo sie der ebenfalls versöhnte Kaiser in Ehren aufnimmt. Auch Scherasmin und Fatme heiraten.
Quellen:
Roland, M. (Hrsg.): DEUTSCH. Lehrbrief 13, Dr. Roland GmbH, Auflage 08/2015, Wien
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wieland_Oberon_1780.jpg, 24.06.2016