Theorie:

Betrachten wir ein quadratisches Polynom mit reellen Koeffizienten \(p,\,q\):
 
\(x^2+px+q.\)
 
Um seine Nullstellen zu berechnen, wenden wir die Lösungsformel für quadratische Polynome an:
 
\(x_{1,2}=-\frac{p}{2}\pm\sqrt{\frac{p^2}4-q}.\)
 
Wir wissen bereits: Das Polynom hat genau dann reelle Nullstellen, wenn die Diskriminante (also der Ausdruck unter der Wurzel) nicht-negativ ist. Falls die Diskriminante negativ ist, so hat das Polynom keine reellen Nullstellen, und obige Lösungsformel ergibt in den reellen Zahlen keinen Sinn mehr, da hier die Wurzel aus einer negativen Zahl gezogen werden würde.
Doch nun, wo uns auch die komplexen Zahlen zur Verfügung stehen, können wir doch Wurzeln aus negativen Zahlen ziehen! Und tatsächlich liefert obige Formel auch für negative Diskriminanten die Nullstellen des entsprechenden quadratischen Polynoms - sie sind eben jetzt komplex und nicht mehr reell. Wir fassen nun diese Überlegungen zu folgender Aussage zusammen:
Für das Polynom \(x^2+px+q\), mit reellen \(p,q\), gilt, in Abhängigkeit der Diskriminanten \(D:=\frac{p^2}4-q\), folgendes:
  • Falls \(D>0\), dann hat das Polynom zwei unterschiedliche, reelle Nullstellen.
  • Falls \(D=0\), dann hat das Polynom eine reelle Nullstelle \(a\). Diese ist doppelt, d.h. das Polynom hat die Gestalt \((x-a)^2\). Zur Nullstelle \(a\) gehört also zweimal der gleiche Linearfaktor.
  • Falls \(D<0\), dann hat das Polynom zwei unterschiedliche komplexe (und nicht-reelle) Nullstellen.
In allen Fällen sind die Nullstellen durch die Lösungsformel gegeben:
 
\(x_{1,2}=-\frac{p}{2}\pm\sqrt{\frac{p^2}4-q}.\)
Beispiel:
Für das Polynom \(x^2+4x+5\) liefert die quadratische Lösungsformel
 
\(x_{1,2}=-2\pm\sqrt{4-5}=-2\pm i.\)
 
Die Diskriminante ist hier gleich \(-1\), und die beiden Nullstellen des Polynoms sind komplex. Gemäß der Lösungsformel sind die Nullstellen
 
\(x_1=2+i, \quad x_2=2-i.\)
Wir stellen also fest, dass man quadratische Polynome in \(\mathbb C\) immer in Linearfaktoren zerlegen kann!
Ein quadratisches Polynom \(x^2+px+q\) lässt sich immer als Produkt von genau zwei komplexen Linearfaktoren schreiben: Sind \(x_1, x_2\) die beiden reellen oder komplexen Nullstellen des Polynoms, dann gilt:
 
\(x^2+px+q=(x-x_1)\cdot(x-x_2).\)
Beispiel:
Setzen wir das obige Beispiel fort, so können wir das Polynom \(x^2+4x+5\) schreiben als
 
\((x-2-i)\cdot(x-2+i).\)
Im nächsten Abschnitt schauen wir uns an, wie es sich mit allgemeineren Polynomen in \(\mathbb C\) verhält.