Theorie:

Die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung - nach ihrer Präsidentin auch Brundtland-Kommission gennant - hat 1987 folgende (heute allgemein anerkannte) Definition verabschiedet: Eine nachhaltige Entwicklung gewährleistet,
"dass die Bedürfnisse der heutigen Generation befriedigt werden, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse zu beeinträchtigen".
 
Derzeit richtet sich Stadtentwicklung vor allem nach dem Leitbild der "Nachhaltigen Stadtentwicklung", das u.a. in der Charta von Aalborg (Dänemark, 1994) festgeschrieben ist:
"Wir haben die Vision integrativer, prosperierender, kreativer und zukunftsfähiger Städte und Gemeinden, die allen Einwohnerinnen und Einwohnern hohe Lebensqualität bieten und ihnen die Möglichkeit verschaffen, aktiv an allen Aspekten urbanen Lebens mitzuwirken."
 
Im Vordergrund steht heute eine Orientierung der Stadtentwicklung auf die Quartiersebene, die vor allem durch das Förderprogramm "Soziale Stadt" vorangetrieben wird. Beispiele für die nachhaltigere Stadtentwicklung finden sich vor allem in der Bundesrepublik Deutschland: in Ingolstadt (Modellprojekt: "Vision für Ingolstadt"), Münster ("Integriertes Stadtentwicklungs- und Stadtmarketingkonzept) oder Heidelberg (Nachhaltiger Stadtentwicklungsplan mit "Lokale Agenda 21").
 
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Abb. 1: Das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit - Nachhaltigkeit kann nur bei gleichwertiger Berücksichtigung aller drei Bereiche erzielt werden
  
Stadtentwicklung zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit
"Wachstum" einer Stadt bedeutet überlicherweise Wachstum der Bevölkerung, Erhöhung der Bevölkerungszahl - und nicht unbedingt Wirtschaftswachstum. Neue Konzepte setzten allerdings auf Wirtschaftswachstum, das zu Bevölkerungswachstum führen soll: eine florierende Wirtschaft bietet Arbeitsplätze und neue Chancen für Unternehmen. Nur so werde ein stärkerer Zuzug möglich. Die Förderung von Familie, Kultur, Bildung und Wissenschaft wird als notwendiges Mittel zur Erreichung dieser Wachstumsziele behandelt. Die Attraktivität der Stadt - und dazu gehört auch eine "intakte Umwelt" - wird zum "weichen Standortfaktor" und zum "wesentlichen Wettbewerbsparameter".
 
Habitat II, eine UN-Siedlungskonferenz 1996 in Istanbul, vertiefte den Ansatz einer "nachhaltigen Stadtentwicklung", wie ihn schon 1992 die Agenda 21, ein entwicklungs- und umweltpolitisches Aktionsporgramm, vertreten hatte. In den Abschlussdokumenten spielt Wachstum im Sinne der Steigerung des Bruttosozialproduktes keine Rolle. Ziel der Konferenz war die Lebensqualität in den Siedlungen. Die Wirtschaft trägt eine besondere Verantwortung, vor allem für eine effizientere Ressourcenverwertung, eine Ersetzung von nichterneuerbaren durch erneuerbare Stoffe und für die Entwicklung umweltverträglicherer Produkte.
 
In dieser Tradition steht auch die Aalborg-Charta europäischer Städte und Kommunen aus dem Jahr 1996:
 
Wir europäischen Städte und Gemeinden [...] verstehen, dass unsere derzeitige städtische Lebensweise, insbesondere unser arbeits- und funktionsteiliges System, die Flächennutzung, der Verkehr, die Industrieproduktion, Landwirtschaft, Konsumtion und die Freizeitaktivitäten und folglich unser gesamter Lebensstandard uns für die vielen Umweltprobleme wesentlich verantwortlich macht, denen die Menschheit gegenübersteht.
 
Wir haben erkannt, dass der heutige Pro-Kopf-Verbrauch von Ressourcen in den Industrienationen nicht für alle jetzt lebenden Menschen, ganz zu schweigen von künftigen Generationen, möglich ist, ohne das natürliche Kapital zu zerstören.
 
Wir Städte und Gemeinden verstehen, dass der einschränkende Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung unserer Städte und Gemeinden das natürliche Kapital (wie Atmosphäre, Boden, Wasser und Wälder) geworden ist. Folglich müssen wir in dieses Kapital investieren.
  
Wachsende Stadt - nachhaltige Stadt, am Beispiel Hamburg
Anschließend sollen zwei konkrete Beispielsfelder aus dem Konzept "Metropole Hamburg - wachsende Stadt" die Dialektik (Einheit im Widerspruch) von Wachstum und Nachhaltigkeit veranschaulichen:
 
Flächennutzung
Die Lebensweise "wohnen im Umland, arbeiten in der Stadt" erzeugt Pendelverkehr mit all seinen Emissionen (Abgasen und Schadstoffen), fördert die Zersiedlung der Regionen durch extensive Flächennutzung und verstärkt die soziale Desintegration der Kernstadt. Dies ist nicht nachhaltig. Insofern bedeutet das Hautpanliegen des Hamburger Senats, wieder mehr Menschen innerhalb der Stadtgrenzen anzusiedeln, tendenziell "nachhaltiges Wachstum".
Anstatt Stadtrand-Flächen, die bisher dem Landschaftsschutz, der Erholung oder der stadtnahen Lebensmittelversorgung dienten, neu als Bauland zu erschließen, müssen auch im urbanen Raum Möglichkeiten des Wohnens geschaffen werden, die mit Einfamilienhaus-Qualitäten konkurrieren können und dennoch Fläche intensiv nutzten. Wohnqualität ist eine sehr komplexe Angelegenheit, die über die Eigentums- und Gartenfrage weit hinausreicht, bis zu den sozialen, infrastrukturellen und ökologischen Eigenschaften des Wohnumfelds. Einen entscheidenden Einfluss auf die Attraktivität dieser Flächen hat die Bodenpreispolitik der städtischen Liegenschaftsverwaltung. Sie könnte hier Steuerungsfunktoinen im Sinne der Nachhaltigkeit übernehmen.
 
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Abb 2: Zersiedelung und die damit einhergehende extensive Flächennutzung sind nicht nachhaltig
 
Wirtschaftliche "Kompetenz-Cluster"
Im Senats-Konzept der wachsenden Stadt spielt die Förderung sogenannter Kompetenz-Cluster (Verbund von Wissenschaftseinrichtungen) eine besondere Rolle: LifeSciences (Biowissenschaften), Informationstechnologie und Medien, Luftfahrtindustrie, Hafen und Logistik werden als die Brachen identifiziert, deren Ausbau der Stadt zu Wachstum durch Synergieeffekte (positive Wirkung, die sich aus dem Zusammenschluss oder der Zusammenarbeit zweier Branchen/Unternehmen ergibt) verhelfen soll.
Die gennanten Wachstums-Cluster wirken sehr unterschiedlich auf eine nachhaltige Entwicklung: Luftfahrtindustrie, Hafen und Logistik sind besonders Ressourcen-, Energie-, Flächen-, und auch Lärmintensiv. LifeSciences, Informationstechnologie und Medien haben auch einen sehr spezifischen z.T. problematischen Rohstoffbedarf. Dem stehen Chancen für Beschäftigungswachstum, Ressourceneffizienz und medizinische Versorgung gegenüber.
Bei gegebener Standortentscheidung fordert "nachhaltiges Wachstum" alle Anstrengungen, um Flächenerschließungen, Infrastruktur und Produktionsweise so beschäftigungswirksam, sozial ausgewogen, Ressourcen- und Klimaschonend sowie Abfall- und Emissionsarm zu gestalten, wie es überhaupt möglich ist. Hier muss die Mehrdimensionalität von Nachhaltigkeit eingefordert werden. Dabei bietet gerade die Clusterbildung Chancen für Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit, die über das einzelne Unternehmen und sein eigenes Umweltmanagement weit hinausgehen.
In der Fortschreibung des Leitbildes hat der Senat der Behörde für Umwelt und Gesundheit den Auftrag erteilt, den Aufbau eines Clusters "Regenerative Energien" insebsondere für den Bereich Wasserstofftechnologie zu prüfen. Angesichts der Endlichkeit fossiler Energieträger (Kohle, Gas, Erdöl etc.), bereits bestehender Kompetenzen und Erfahrungen in der Region sowie der geplanten Offshore-Windanlagen (Windkraftwerke vor den Küsten) könnte Hamburg hier Wirtschaftswachstum (auch in Form branchennaher Dienstleistungen und Expertise) und Nachhaltigkeit geradezu ideal zur Synthese bringen.
 
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Abb. 3: Durch den vermehrten Bau von Windkraftwerken soll die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern verringert und die Nachhaltigkeit erhöht werden.
 
Quellen:
Abb. 1: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Nachhaltigkeit_-_Drei-S%C3%A4ulen-Modell_und_Vorrangmodell.svg (01.07.2016)
Abb. 2: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Zersiedelung_am_Ufer_der_Melezza_in_Pedemonte.jpg (01.07.2016)
Abb. 3: https://pixabay.com/de/photos/windrad-windr%c3%a4der-windkraft-993018/ (01.07.2016)