Theorie:
Die Eigentumsverhältnisse der Unternehmungen in Österreich waren lange Zeit durch einen hohen Eigentumsanteil von Bund, Ländern und Gemeinden gekennzeichnet. Die Wurzeln dieser Eigentumsverhältnisse der öffentlichen Hand an Unternehmen reichen weit in die Geschichte zurück. So wurden im Zeitalter des Merkantilismus beispielsweise das staatliche Tabakmonopol, das Dorotheum und die Notenbank gegründet.
Vor Beginn der Privatisierung umfasste die Gemeinwirtschaft noch folgende Bereiche:
- Bundesbetriebe und Bundesbeteiligungen (ab 50 %): z. B. ÖBB, Österreichischer Bundesverlag, HPT, ORF, Verbundgesellschaft
- Verstaatlichte Industrie: z. B. Austrian Industries
- Nationalbank; verstaatlichte Banken (Bundesbeteiligung 60 %) und ihre Beteiligungen
- Unternehmungen und Beteiligungen der Bundesländer: z. B. Landeselektrizitätsgesellschaften, Landeshypothekenanstalten, Versicherungen
- kommunale Unternehmungen und Beteiligungen: z. B. Gemeindesparkassen, Verkehrsbetriebe, Betriebe der Ver- und Entsorgung
Insgesamt gab es rund 4 000 gemeinwirtschaftliche Betriebe.
Abb. 1: Die ÖBB zählt zu den wenigen Betrieben, die nach wie vor dem Staat gehören.
Die Geschichte der "Verstaatlichten"
Durch zwei Verstaatlichungsgesetze (1946 und 1947) gingen folgende Betriebe in Staatsbesitz über (und wurden durch diesen Schritt auch dem Zugriff der damaligen Besatzungsmächte entzogen): drei Aktienbanken (Creditanstalt-Bankverein, Länderbank, Österreichisches Credit-Institut), der gesamte Kohlebergbau, der Eisenerz-, Bleierz-, Kupfererz- und Antimonerzbergbau, die Erdölförderung und deren Raffinerien, die gesamte Hüttenindustrie, die Aluminiumproduktion, Betriebe der Elektro- und Chemieindustrie sowie die DDSG.
Die (insgesamt 70) verstaatlichten Unternehmen erlebten bis zirka 1965 eine günstige Entwicklung. Ab 1966 übte die Österreichische-Industrieverwaltungs-GmbH. (ÖIG) die Eigentumsrechte des Bundes aus, 1970 erfolgte die Umwandlung in die Österreichische Industrieverwaltungs-AG (ÖIAG).
Die ÖIAG-Betriebe schrieben aber ab Anfang der 1980er Jahren steigende Verluste. Daher wurde die ÖIAG (jetzt Österreichische Industrieholding AG) 1986 neuerlich umstrukturiert: Die unübersichtlichen Mischkonzerne wurden aufgelöst und zu neuen Branchenholdings (Dachgesellschaften) zusammengefasst, die mit den Erlösen aus Privatisierungen saniert und dann über die Börse privatisiert werden sollten.
Hauptziel der Privatisierung war eine Entlastung des Staatsbudgets (bisher hatten ja die Steuerzahlenden die Verluste der Staatsbetriebe zu tragen) sowie eine Verbesserung der Rentabilität durch privates Management. Anfang 1990 wurden sechs Branchenholdings (ÖIAG, VA Stahl, Maschinen- und Anlagen Holding, Elektro- und Elektronik-Industrie AG, ÖMV, Chemie Holding AG) in einer neuen Holding, den Austrian Industries zusammengefasst.
Abb. 2: Austrian Airlines wurde als einer der letzten Staatsbetriebe im Jahr 2008 privatisiert.
Das ÖIAG-Gesetz vom Dezember 1993 war die Basis für eine stufenweise Privatisierung der verstaatlichten Industrie. Damit wurde die ÖIAG zu einer "Privatisierungsagentur" und Beteiligungsholding, die bis 1999 die mehrheitliche oder gänzliche Veräußerung von Anteilen an zahlreichen Unternehmen durchführte.
Die politischen Ziele der Reprivatisierungen
- Verbesserung von Rentabilität und ökonomischer Effizienz der Unternehmen
- Erzielung zusätzlicher Staatseinnahmen aus dem Verkauf von staatlichen Unternehmungen (Abbau des Budgetdefizits)
- Förderung einer breiten Aktienstreuung in der Bevölkerung
- Verringerung des Staatseinflusses (diese Position vertritt vor allem die ÖVP)
Probleme der Privatisierung
- Ein Kennzeichen der österreichischen Eigentumsverhältnisse ist der hohe Anteil ausländischen Besitzes, der schon 1985 bei 30 % lag und weiter im Steigen begriffen ist; die Übernahmen und Beteiligungen erfolgten rund zur Hälfte durch deutsche Investitionen.
- Der Staat verkauft "Familiensilber" an ausländische Interessierte (z. B. die bayrische Müller-Brot kauft Anker-Brot, Magna kauft Steyr, die Bank Austria wurde von der italienischen UniCredit übernommen etc.)
- Das Hauptproblem der Auslandsbeteiligungen ist der Gewinntransfer, da von dem in Österreich investierten Kapital rund 50 % wieder ins Ausland zurückfließen.
- Um - umgekehrt - auch die österreichischen Unternehmen zur Internationalisierung anzuregen, bietet der Staat Exportförderungen für Auslandsbeteiligungen, was in der Mitte der 1990er Jahre bereits zur Übernahme zahlreicher Betriebe durch österreichische Unternehmen (z. B. Banken, OMV) im (vor allem östlichen) Ausland geführt hat.
Abb. 3: Firmenzentrale der OMV - einer der Betriebe die nach der Privatisierung hochrentabel wurden
Privatisierungen der ÖIAG
Einige jener Betrieben, die privatisiert wurden - und danach den Steuerzahlenden nicht nur nicht mehr zur Last fielen, sondern zum Teil erhebliche Gewinne brachten, die nun zugunsten des österreichischen Budgets versteuert werden:
- OMV (Österreichische Mineralöl Verwaltung)
- AT & S (Austria Technologie & Systemtechnik)
- VA Stahl AG
- Salinen AG (Bietergruppe Androsch und andere
- Mobilkom, AG
- Austria Tabak
- Flughafen Wien AG
- Dorotheum
- VA Tech
Quellen:
Abb. 1: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:%C3%96BB_EC_162_in_Innsbruck_Hbf.jpg (08.09.2016)
Abb. 2: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Boeing_767-300ER_of_Austrian_Airlines.jpg (08.09.2016)
Abb. 3: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:OMV_Vienna.jpg (08.09.2016)