Unser Menschenbild
"Absolventinnen und Absolventen der Sir Karl Popper-Schule sind bereit für lebenslanges Lernen. Sie wissen, dass wir nur Bilder über die Welt haben und dass diese Bilder nicht gleichzeitig die Welt sind, aber sie bleiben neugierig und bestrebt, immer mehr solcher Bilder kennen zu lernen und zu überprüfen. Sie gestalten diesen Lernprozesse, sie steuern aktiv, was sie in welcher Weise lernen wollen, und sie wissen auch, wozu ihnen dieses Gelernte nützt: Bewusst mit ihrer eigenen Person umzugehen und ihren Bezug zur umgebenden Welt differenziert reflektieren zu können. Sie streben Selbstbestimmung an, indem sie Entscheidungen treffen, für die sie Verantwortung übernehmen, und wissen dabei, dass ihr eigenes Handeln in das Handlungsnetz der Gesellschaft eingebunden ist. Sie können sich einerseits für intensive Arbeitsbelastung motivieren, sind andererseits aber auch im Stande, Muße und Entspannung für ihre persönliche Regeneration und für das Zusammenleben mit anderen Menschen zu genießen."[1]
Unsere Absolventen und Absolventinnen haben auch eine besondere Sozialkompetenz erworben: Sie können ihr eigenes Handeln und das der Menschen, mit denen sie zu tun haben, reflektieren; sie können mit Konflikten konstruktiv umgehen; sie verstehen ihre Anliegenund Bedürfnisse in angemessener Weise zu vertreten und respektieren die Anliegen undBedürfnisse anderer. Sie übernehmen nicht nur Verantwortung für ihr eigenes Handeln,sondern sind sich auch ihrer Verantwortung in der Gesellschaft bewusst (sie finden fürsich Wege, dieser Verantwortung gerecht zu werden).
Unser Bildungsbegriff
Nicht Quantität an Wissen, sondern Qualität von Erkenntnis und Verständnis zählen. Wirsetzen auf die Fähigkeit, die Relevanz von Bildungsinhalten für die eigene Person/fürdie Gesellschaft zu erkennen, die Gegenwart auf Grund des Gelernten wachsamer verfolgen zukönnen, Vorgänge differenzierter beurteilen zu können, auf die Fähigkeit zurnicht-trivialen (d.h. kritischen) Rezeption von "Kultur", ohne dieGenussfähigkeit dabei zu verlieren, auf die Entscheidungsfähigkeit zur Vertiefung vonInhalten ("den Dingen auf den Grund gehen"). Wir wünschen uns einenemanzipierten Umgang mit den Polen "Lesen/Lernen" einerseits und "SelbstDenken" andererseits - es muss nicht das Rad neu erfunden werden, und doch führt dieselbständige und unvoreingenommene Auseinandersetzung mit Fragen oft zu wertvollerenErgebnissen als das übernehmen von vorgedachten Inhalten. So können unter Umständenauch kreative Lösungen gefunden werden für Aufgaben, die noch nie gelöst wurden - undFragen gestellt werden, die noch nie gestellt wurden!
Unser Bild von Schule
Schule ist für uns ein Ort, an dem eine solche Bildung erworben werden kann bzw. an demdie Grundsteine gelegt werden, damit an dieser Bildung lebenslang gearbeitet werden kann.Lehrer und Lehrerinnen sind Experten in Bildungsmanagement sowie in einem bestimmtenBildungsbereich, sie vermitteln Strategien, steuern Prozesse, steuern auch Inhalte bei,klinken sich in das allgemeine Lernklima ein, schaffen eine Kultur der Neugier, der Anstrengung, des Auswählens und Vertiefens und leben vor allem die oben angeführte Haltung vor.
Leistungsfeststellung ist zur Steuerung notwendig - und an bestimmten Punkten des Schuljahres auch zur Selektion (dieser gesellschaftlichen Funktion kann sich auch dieSir Karl Popper-Schule nicht entziehen, selbst wenn sie es wollte). Sie darf aber nichtannähernd denselben Zeitrahmen bekommen wie das Lernen (jede Schule muss mehr dieMöglichkeit schaffen, dass die Kinder lernen, als zu überprüfen, was sie können). Die Schülerinnen und Schüler brauchen einander (sie geben einander neue Impulse undErgänzungen, sie lernen von einander unterschiedliche Zugänge) und sie brauchenErwachsene, wie sie oben beschrieben sind. Schule ist auch ein Mikrokosmos, in dem dieGesellschaft abgebildet wird, in dem aber gleichzeitig auch geprobt werden kann, wie eineveränderte Gesellschaft funktionieren könnte.
Unser Bild vom Lernen
Alle Erkenntnisse der Lernpsychologie sollen im Unterricht umgesetzt werden. Die Auswahldessen, was behalten wird, ist heute mehr denn je überlebensnotwendig, Kriterien fürdiese Auswahl müssen geliefert/gefunden werden. Wir wollen "breit beleuchten undsparsam beurteilen" (mit vielem bekannt machen, aber nur das Wesentliche für dieBeurteilung heranziehen). Wissen soll auch als Wert an sich gelten (man hat sich mit etwasbeschäftigt und beschließt dann, es nicht weiter zu brauchen, und doch hat man etwasgelernt, das man vielleicht viel später braucht, das aber vor allem die "innereLandschaft" verändert hat). Vor allem wollen wir den Unterricht gemeinsam mit den Kindern entwickeln, was sich im "Contracting" niederschlägt, einer gemeinsamen Vereinbarung zwischen Lehrer und Klasse darüber, was im Unterricht wie geschehen soll.
Unser Bild vom Schüler/ von der Schülerin
Die Lernenden in der Sir Karl Popper-Schule lassen sich schon durch ihre Entscheidung fürdiese Schule auf einen Weg ein, der nicht gerade der einfachste ist. Sie messen sich mitGleichbegabten und geben oft dadurch eine "Pole-position" auf, die sie inanderen Lerngruppen relativ mühelos behalten könnten. Damit sagen sie prinzipiell "ja" zu einer gewissen Form der Anstrengung, wenn sie dabei auch vor allem amBeginn noch viel Unterstützung und Ermunterung brauchen. Sie sind bereit, sich mit sichselbst auseinander zu setzen, zu reflektieren, ihre Begabungen zu suchen und auszuloten.Und sie bringen sich selbst und ihre Ideen in den Unterricht und in das Schulleben imallgemeinen ein, sie gestalten mit, sie äußern ihre Kritik in adäquater undkonstruktiver Form und können auch die Grenzen akzeptieren, die das System setzt und die(noch?) nicht verrückbar sind.[2]
[1] Jahrbuch 2000/2001
Dr. Renate Wustinger, Assistenzdirektorin für den pädagogischen Bereich bis 2003
[2] Wien, im Februar 2002
Dr. Günter Schmid, Direktor i. R.
Leitlinien der Schulpartnerschaft des Wiedner Gymnasiums und der Sir Karl Popper Schule, verfasst und beschlossen von der gesamten Schulgemeinschaft