Theorie:

Im vorigen Abschnitt haben wir gesehen, dass eine Höhenänderung (in Bezug auf eine Masse) eine Änderung der potentiellen Energie zur Folge hat. Diese hängt wiederum direkt mit der Änderung der kinetischen Energie zusammen - das heißt, die Geschwindigkeit ändert sich. Durch diese Zusammenhänge lassen sich relativ leicht Aussagen über die Geschwindigkeit eines Körpers in einem Gravitationsfeld machen.

Fluchtgeschwindigkeit
. Wenn man auf der Erde steht, und einen Stein senkrecht nach oben wirft, so fällt er wieder zu Boden. Je schneller man ihn nach oben wirft, desto höher fliegt er, bevor er umkehrt und wieder herunterfällt. Da die Erdanziehung mit zunehmender Höhe geringer wird, könnte es ja sein, dass ein Stein, wirft man ihn nur schnell genug nach oben, irgendwann nicht mehr zu Boden fällt! Und so ist es auch. Doch wie wir gleich sehen werden, ist eine hohe Geschwindigkeit dafür notwendig.
 
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Sei \(R\) der Erdradius, und \(M\) die Erdmasse. Bringt man einen Stein (der Masse \(m\)) von der Erdoberfläche auf eine Höhe \(h\) über der Erdoberfläche (z.B. man wirft ihn hoch, und er erreicht eine Höhe \(h\) über der Erdoberfläche), dann vergrößert sich sich seine potentielle Energie um
 
\(\displaystyle \Delta E= GMm\Big(\frac 1{R} - \frac 1{R+h}\Big)\),
 
das heißt, die Abnahme der kinetischen Energie (links) ist gleich der Zunahme an potentieller Energie (rechts). Der Zuwachs an potentieller Energie speist sich aus der kinetischen Energie, die um den gleichen Betrag kleiner wird. Sei \(v_0\) die Abwurfgeschwindigkeit des Steins, und \(v_h\) die Geschwindigkeit, die er in der Höhe \(h\) hat, so gilt
 
\(\displaystyle \frac{mv_0^2}2-\frac{mv_h^2}2 = \Delta E\).
 
Wollen wir bestimmen, was die größte Höhe ist, die der Stein erreicht, so suchen wir jenes \(h\), für das \(v_h=0\) ist (am höchsten Punkt wird die Geschwindigkeit des Steins null, und dann fällt er zurück). Wir setzen das in obige Gleichung ein, und erhalten:
 
\(\displaystyle \frac{mv_0^2}2= GMm\Big(\frac 1{R} - \frac 1{R+h}\Big)\).
 
Diese Gleichung kann man nun nach \(h\) auflösen, und erhält so die maximale Höhe, die der Stein erreicht, wenn man ihn mit \(v_0\) senkrecht nach oben wirft. Beachte, dass man die Masse des Steins, \(m\), aus dieser Gleichung kürzen kann!
 
Doch wir suchen nun nach der besonderen Situation, dass die erreichte Höhe \(h=\infty\) ist - damit der Stein nicht mehr zurückfällt, muss seine maximal erreichte Höhe unendlich sein. Setzen wir \(h=\infty\) in \(\frac 1{R+h}\) ein, so wird dieser Ausdruck null! Wir erhalten damit also folgende Gleichung für \(h=\infty\):
 
\(\displaystyle \frac{mv_0^2}2= \frac{GMm}R \quad \Leftrightarrow\quad  v_0^2= \frac{2GM}R  \).
 
Das durch die letzte Gleichung bestimmte \(v_0\) ist jene Geschwindigkeit, mit der man ein Objekt im Abstand \(R\) von einer Masse \(M\) abschießen muss, damit es nicht mehr zurückfällt, sondern mit zunehmender Zeit beliebig weit weg von \(M\) fliegt! Diese Grenzgeschwindigkeit ist die Fluchtgeschwindigkeit!
Die Fluchtgeschwindigkeit \(v_0\) für eine Masse \(M\) und im Abstand \(R\) ist
 
\(\displaystyle v_0= \sqrt{\frac{2GM}R}  \).
 
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Eine Rakete beschleunigt nicht nur zum Zeitpunkt des Starts, sonder meist während mehrerer Minuten, bis sie die benötigte Geschwindigkeit erreicht hat. Danach befindet sie sich meist (bis auf kleine Korrekturen) in "freiem Fall" - was aber nicht bedeutet, dass sie wieder auf die Erdoberfläche zurückfällt.
 
Die oben genannte Beziehung zwischen potentieller und kinetischer Energie ist
 
\(\displaystyle \frac{mv_0^2}2-\frac{mv_h^2}2 =  GMm\Big(\frac 1{R} - \frac 1{R+h}\Big)\).
 
Sie gilt für alle möglichen freien Flugbahnen (also ohne Antrieb oder Reibung), insbesondere für Bahnen Satelliten, Planeten, usw... Bisher haben wir nur kreisförmige Umlaufbahnen betrachtet. Doch die meisten Objekte im Weltall bewegen sich auf Ellipsen (erinnere dich an die Keplerschen Gesetze!). Auch wenn die Berechnung der zeitabhängigen Bewegung auf elliptischen Bahnen komplizierter ist, so kann man obige Energiebilanz trotzdem verwenden, um die Geschwindigkeit zu berechnen:
  • Zu einem bestimmten Zeitpunkt hat ein Satellit den Abstand \(r_1\) zur Erde, und die Geschwindigkeit \(v_1\).
  • Zu einem späteren Zeitpunkt hat der Satellit einen geänderten Abstand \(r_2\). Seine Geschwindigkeit \(v_2\) zum späteren Zeitpunkt lässt sich dann aus folgender Gleichung berechnen:
\(\displaystyle \frac{v_1^2}2-\frac{r_2^2}2 =  GM\Big(\frac 1{r_1} - \frac 1{r_2}\Big)\).
 
Die Form der Bahn spielt hier überhaupt keine Rolle, sondern nur die Abstände zum Erdmittelpunkt.